TRANSIT Premiere: 28. August 2015 / Probenzeit 2 Monate WU WEI Theater Frankfurt in Kooperation mit dem Theater Willy Praml (TWP) | ||
... stell dir vor du hast es erreicht, dein Visum, dein Transit, du bist reisefertig, hast dich von deinen Liebsten verabschiedet, dein Leben hinter dich geworfen und dann verweigert man Dir den Ausreisestempel, weil ... (Romanzitat) | ||
Marseille, 1940. In der Stadt wimmelt es von Flüchtlingen. Auf der Flucht vor den Nazis. Auf der Suche nach einem Visum für die Einreise in irgendein Land, das sie aufnimmt, nach einem Transit-Visum für die Durchreise durch andere Länder, ein "Visa de Sortie", um Frankreich überhaupt verlassen, eine Aufenthaltsgenehmigung, um dort noch bleiben zu dürfen, bis man einen Entlassungsschein aus dem Lager erhalten hat, um ein Ticket für das Schiff, das sie nach Amerika bringt, erstehen zu können und, und, und, ... . Oder nach Mexiko. Oder nach Brasilien. Oder nach Martinique, oder, oder, ... . Die Flüchtlinge sind überwiegend Deutsche, aber auch Tschechen, Rumänen, Österreicher, Polen, Holländer und wer sich noch alles woher hier einfindet. Sie alle sind nach Frankreich geflüchtet, vor der Verfolgung, vor dem KZ, vor dem sicheren Tod, dem sie hier zu entkommen hoffen: Juden, Kommunisten, Regimegegner. Sie alle sind in Marseille, am Rande des Mittelmeers, an ihrem Ende der Welt.
Sie halten sich auf in den zahlreichen Kneipen und Kaffeehäusern, in den Bezirken rund um den alten Hafen, "Transit besessen", um sich auszutauschen, sich zu treffen mit jemandem, der einen Tipp hat, um sich aufzuwärmen bei einem Glas Wein oder um eine Pizza zu essen, und um zu warten, warten, warten ..., bis das nächste Konsulat aufmacht, bis die Schifffahrtsgesellschaften die Abfahrtszeiten anschlagen, bis das Reisebüro endlich anfängt Tickets zu verkaufen. Auch bei den Konsulaten müssen sie warten und im Reisebüro müssen sie warten und bei den Schifffahrtsgesellschaften müssen sie warten und auch bei der Präfektur und bei den vielen Hilfskomitees ...
Sie befinden sich im Zustand des Transistorischen, des Vorübergehenden, des Sich-Verflüchtigenden, dem Limbus gleich, der Vorhölle, schwebend zwischen Verdammnis und Erlösung, im Stillstand abgestellt, und trotzdem rest- und pausenlos in Bewegung. Sie können nirgendwo hin, aber bleiben darf man auch nur, wenn man vor hat, weg zu fahren. Und wenn man endlich das begehrte Reisevisum erhalten hat, bleibt man weiter am Ort seines Aufenthaltes gefangen, weil jetzt das Visa de sortie ... oder die Transitgenehmigung, die Durchreiseerlaubnis durch die anderen Länder, die man passieren muss, fehlt . . . oder das Ticket ... und was sonst noch alles ...?
Ihr Herumtreiben wird beobachtet von denen, die in Marseille wohnen, die sesshaft sind und außer Gefahr: die Cafèhausbesitzer, die Pizzabäcker, die Kellner, die Geschäftemacher, die Angestellten im Reisebüro und die Beamten in den Konsulaten.
Transitstempel ... Transitsorgen ... Transitgerüchte ... Transitgeflüster ... Transit ... | ||
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